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Total verrückt! •
Batterie statt V8

Sie machen Oldtimer elektrisch

Vom Citroën DS zur Corvette C1 bis hin zum DeLorean: Die Manufaktur Marton in Hagendorn rüstet Oldtimer von Benzin- auf Elektroantriebe um. Warum das ausgerechnet gestandene Männer emotional werden lässt, erklärt Silvia Marton im Interview mit STREETLIFE.

Es sind drei wunderschöne Oldtimer, die einem in der Ausstellungshalle der Manufaktur Marton sofort ins Auge stechen: Ein grüner Jaguar XK 150, eine gelbe Corvette C1 und ein schwarzer Porsche 968. Es sind Autos aus den 60er und 90er Jahren – doch sie alle sehen aus, als wären sie gerade eben vom Band gerollt: Frisch lackiert und in vollem Glanz. Und sie teilen noch eine weitere Gemeinsamkeit, die man ihnen auf den ersten Blick aber nicht ansieht: Sie alle fahren mit Strom.

«Als wären sie damals elektrisch gebaut worden»

Die einstigen Benziner wurden vom Ehepaar Silvia und Till Marton und ihrem Team zu E-Oldtimern umgebaut. Der Erhalt des ursprünglichen Designs steht dabei im Fokus: «Die Fahrzeuge sind so gestaltet, als ob sie bereits damals elektrisch gebaut worden wären», sagt Silvia Marton. Neben dem Antrieb wurden äusserlich nur gewisse Anzeigen geändert, wie Marton am Beispiel der Corvette demonstriert: So wurde aus der Tankanzeige die Reichweitenanzeige, aus der Ölanzeige der Ladezustand und aus der Wasserdruckanzeige der Energieverbrauch. «Natürlich alles analog, wie beim Original», betont Marton.

E-Oldies sorgen für gwundrige Blicke

«Erst wenn das Auto auf der Strasse unterwegs ist, bemerken die Leute, dass daran etwas anders ist.» Statt dem lauten Brummen des V8-Motors ertöne beim Anfahren nur ein Summen und das Geräusch der Reifen und des neuen Getriebes. «Das sorgt schon ab und zu für schräge Blicke am Zebrastreifen», lacht Marton.

Wissen selbst angeeignet

Grundsätzlich seien viele Reaktionen auf ihre Werke positiv. Immer wieder ist die Bewunderung gross, da die beiden Gründer sich ihr Wissen mehrheitlich selbst in Internet-Foren und durch andere E-Autofans und -tüftler angeeignet haben. «Wir sind Quereinsteiger. Es ist aber ein grosser Vorteil für die Programmierung beziehungsweise den Code der Steuergeräte, dass mein Mann aus der IT-Branche kommt», sagt Silvia Marton, die selbst Agronomie studiert hat, und fügt an, «das ist das, was uns neben dem Design ausmacht. Ansonsten verwenden auch wir die gängigen Komponenten.»

Kritik von verschiedenen Lagern

Es gebe aber schon auch eingefleischte Oldtimer-Fans, die ihnen in ihrer Empörung gar «Blasphemie» – also die Schmähung eines Heiligtums – vorwerfen würden. Marton nimmt’s gelassen: «Natürlich muss ich manchmal ein bisschen schmunzeln, gerade wenn gestandene Männer sagen, dass wir den Autos damit ‹die Seele rauben›.» Kritik gäbe es aber auch von Leuten, die Elektromobilität zwar grundsätzlich gut fänden, jedoch nicht bei einem Klassiker. «Oft hören wir, damit werde ein Kulturgut zerstört. Wir finden aber, dass wir den Fahrzeugen neues Leben einhauchen. Gerade beim Zustand der Corvette, die hatte ja nicht mal mehr einen Motor drin», kontert Marton und ergänzt, «durch die Elektrifizierung sind sie länger fahrbar und bleiben besser erhalten.»

Elektromotor bessert bekannte Tücken aus

Viele Modelle liessen sich durch die Umrüstung sogar massiv verbessern. Zum Beispiel der DeLorean: «Durch sein äusseres Erscheinungsbild und auch wegen seiner Rolle im Filmklassiker ‹Zurück in die Zukunft› denkt man, dass das Auto eine Rakete sein muss. In Wirklichkeit ist er aber viel zu schwach motorisiert. Hier verleiht ihm ein Elektromotor dank seines höheren Drehmoments deutlich mehr Dynamik.» Zudem erhalte das Auto beim Umbau eine Klimaanlage, die im Gegensatz zum Original auch ohne laufenden Motor einwandfrei kühle – was bei den kleinen Fenstern eine grosse Hilfe sein dürfte im Sommer.

Doch auch die Corvette, deren Konversion bei vielen V8-Fans für Entsetzen gesorgt hatte, erhielt durch den Elektromotor einen entscheidenden Vorteil. «Die Corvette hat sogenannte Trommelbremsen. Wenn du mit diesem Auto im Originalzustand zum Beispiel eine Passfahrt machst, fängt es relativ schnell mal an zu rauchen», sagt Marton und ergänzt, dass Trommelbremsen dafür nicht gemacht seien. Und obwohl das Auto nach wie vor über seine Originalbremsen verfüge, könne man jetzt auch steile Abfahrten geniessen: «Durch die Rekuperation bremst der Elektromotor, was die Trommelbremsen entlastet.»

Was umgerüstete E-Fahrzeuge zur Abnahme brauchen

Damit die E-Oldtimer für die Strasse zugelassen werden, müssen sie einige Kriterien erfüllen. So dürfen sie beispielsweise weder schwerer noch leistungsstärker sein als im Originalzustand. Zudem wird die elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) geprüft und auch die elektrische Sicherheit beim Ladevorgang, weil das Stromnetz dabei nicht gestört werden darf: Also die Prüfung gemäss NEV (Verordnung für Niederspannungserzeugnisse).

E-Oldtimer – ein Luxusprodukt aus der Schweiz

Doch Kritik hin oder her, an Nachfrage fehlt es den Martons keineswegs. Aktuell gibt es eine Warteliste: Die Umbauzeit pro Auto beträgt rund ein Jahr und startet ab einem Preis von 200'000 Franken. «Meistens ist es ja nicht nur die Umrüstung vom Verbrennerfahrzeug zum Stromer, sondern auch Renovationsarbeiten am Innen- und Aussenleben des Fahrzeugs», so Marton. Zudem findet ein Grossteil der Wertschöpfung in der Schweiz statt, auch was die Motoren angeht – und das hat seinen Preis.

Weiter betont Marton klar, dass der Grundgedanke dahinter nicht ökologisch ist. Zwar fahren die Oldtimer nach der Umrüstung emissionsfrei, aber: «Das sind ganz klar Luxusgüter. Jedes Modell ist eine Einzelanfertigung für Liebhaberinnen und Liebhaber mit dem entsprechenden Budget.»

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