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Gault-Millau-Chef Urs Heller

«Mir tut es immer weh, wenn auf das Auto eingeprügelt wird»

Als Chef von Gault Millau Schweiz weiss Urs Heller, was ein gutes Restaurant ist – und wie man dahin kommt. Im Gespräch mit STREETLIFE sinniert er über schöne Autos, teures Essen und wütende Köche. Und er nennt uns drei Routen für Gourmands.

Urs Heller, für ein gutes Mahl ist Ihnen kein Weg zu weit. Welche Rolle spielt das Auto für Sie im Job?

Eins vorab – als Chef von Gault Millau Schweiz lege ich im Jahr rund 40'000 Kilometer zurück. Mit dem Postauto geht das nicht. Ganz abgesehen davon, dass ich sowieso nicht gerne mit dem Postauto unterwegs bin. (lacht) Das Auto ist für mich also eine Notwendigkeit, aber es ist mehr als Mittel zum Zweck. Ich geniesse das Unterwegssein und fahre sehr gern Auto. 

Und das offensichtlich nicht nur in Ballungszentren wie Bern, Basel oder Zürich, wie man am Gault Millau sieht.

Für uns als Gault Millau ist es enorm wichtig, im ganzen Land präsent zu sein; zumal wir in der Schweiz eine enorme Dichte an guten Restaurants haben. Ich würde behaupten: Im Gegensatz zu beliebten Gourmetländern wie Italien oder Frankreich haben wir in der Schweiz an fast jeder Autobahnausfahrt ein gutes Restaurant. Ich bin zum Beispiel auch ein grosser Fan von Landgasthöfen. Man findet also nicht nur in hippen Szenenrestaurants gute Küchen. Solche Trouvaillen zu finden und zu bewerten, das haben wir uns mit dem Gault Millau zur Aufgabe gemacht.
 

Man kennt Urs Heller, den Zeitschriften-Macher von Ringier und Herausgeber des Gault Millau Schweiz. Dass er mal Autotester für das Luzerner Tagblatt war,  wissen wohl nur noch wenige.

Da haben Sie wohl recht. Ich hatte immer eine Leidenschaft für Autos, war jahrelang auch Präsident der Jury, die den Titel «Auto des Jahres» verleiht. Mich fasziniert diese Industrie, die Leute, die Manager. Oft sind das enorm spannende Menschen ohne Allüren. Das Autobusiness ist ein bodenständiges Geschäft. Das gefällt mir. Deshalb tut es mir auch immer weh, wenn auf das Auto oder die Autofahrerinnen und Autofahrer eingeprügelt wird.

E-Autos haben Sie damals wohl noch nicht testen können. Welches war Ihr erstes Auto?

Ein oranger Toyota Corolla. Später kam die italienische Phase: Lancia, Alfa Romeo. Da hat immer mal wieder ein Lämpchen rot aufgeleuchtet, aber das muss man ertragen. (lacht) Wir bei der Firma Ringier sind alle sehr auto-affin, auch unser Besitzer Michael Ringier. Auch bei allen Zeitschriften, die ich konzipiert habe, waren Autoseiten ein Muss. Sogar bei einem so naturorientierten Magazin wie der «Landliebe».

Besitzen Sie auch eine Autosammlung wie Ihr Verleger?

Nein. Ich bin auch kein Oldtimer-Streichler. Ich will in ein Auto reinsitzen und losfahren. Ich bin auch an Innovationen im technischen Bereich interessiert. Das GPS beispielsweise ist für mich eine der grossartigen Erfindungen überhaupt.

Sie sind generell ein progressiv denkender Mensch. Den Gault Millau haben Sie erstaunlich reibungslos ins digitale Zeitalter transformiert.

Wir sind von diesem Erfolg selbst überrascht. Zwei Dinge sind passiert: Unsere Leserschaft besteht plötzlich zu 50 Prozent aus Frauen. Das war früher anders, da war unser Business-Case weit weniger attraktiv. Unsere Leser waren wie ich – mit wenig Haar, etwas vielen Kilos und einer überschaubaren Lebenserwartung. (lacht) Das hat sich geändert. Auch das Alter ist deutlich gesunken. 50 Prozent unsere Leserschaft ist heute zwischen 18 und 45 Jahre alt.

Woher kommt dieser Wandel?

Das Thema fasziniert. Essen ist Lifestyle- und Diskussionsthema Nummer eins. Davon profitieren wir. Dazu hatten wir das Glück, dass die jungen Köche, die heute am Drücker sind, sehr Online-affin sind. Sie sind selbstbewusst, charmant, gut vor der Kamera. Fast ein bisschen wie Rockstars. Unsere Mission ist es, diesen Menschen ein Gesicht zu geben. Das interessiert die Leute am Ende mehr, als ob einer 15 oder 16 Punkte hat.

Sie können Köchinnen und Köche in der Schweiz zum Star machen…

… wenn einer nichts kann, kann ich auch nichts machen. Aber wir können helfen, das stimmt.

Gab es auch schon Zoff? Welchem Koch haben Sie in Ihren 30 Jahren als Gault-Millau-Chef die Suppe so richtig versalzen?

Streit kommt vor. Aber: Mit uns kann man immer reden; das ist etwas, das uns vom Guide Michelin unterscheidet. Es gab mal einen Chef, der sehr gut kochte und von uns einen Punkt mehr erhielt. Unser Tester schrieb aber auch: «Schade, dass er durchs Restaurant läuft wie eine Bulldogge». Das hatte ich übersehen. Als der Text erschien, machten die Gäste in seinem Restaurant immer: «Wauwau!». Natürlich hatte das ein paar aufgeregte Telefonate und eine Entschuldigung von uns zur Folge. Das war nicht schön, das wollen wir nicht. Denn eigentlich sind wir die grösste und leidenschaftlichste Agentur für gutes Essen in der Schweiz.

Muss gute Küche teuer sein?

Überhaupt nicht, aber Fine Dining hat seinen Preis. Man sollte bereit sein, dafür auch etwas zu bezahlen. Ein Restaurantbesuch ist keine Sparübung. Wenn ein Loup de mer für 20 Franken angeboten wird, kann etwas nicht stimmen. Ich empfehle, besser weniger häufig auswärts zu essen, dafür gut. In ein Fine-Dining-Restaurant zu gehen und am Preis herumzumäkeln, das finde ich nicht korrekt. Auch für Taylor Swift bezahlen die Leute schliesslich Geld. Deshalb darf man auch für Fine Dining Budget freimachen. Gutes Essen sollte man zelebrieren.
 

Gourmet-Routen in der Schweiz

Diese drei Routen empfiehlt Urs Heller für eine kulinarische Ausfahrt:

Tipp 1: Thurgau-Bodensee-St. Gallen
Ich empfehle eine Fahrt in die Ostschweiz. In Freidorf TG begeistert gerade unser Koch des Jahres Silvio Germann. Im «Mammertsberg». Traumhafte 18-Punkteküche, traumhafte Lage. In Wigoltingen TG («Taverne zum Schäfli») ist Christian Kuchler der Gastgeber und 18-Punktekoch. Seine unglaublichen Saucen sind jeden Kilometer Umweg wert. In Lömmenschwil vor den Toren St. Gallens kehre ich gerne bei Bernadette «Lisi» Lisibach in der «Neuen Blumenau» ein. Angenehme 17-Punkteküche, zauberhafter Garten. Am Bodensee empfehle ich das «Bad Horn» in Horn. 

Tipp 2: Berner Oberland
Den ersten Boxenstopp mache ich im Victoria-Jungfrau in Interlaken. Stefan Beer präsentiert im «Radius» sein «Menü vo hie». Das kann man wörtlich nehmen. Er kauft alle Produkte in einem Radius von 50 Kilometern ein. Gstaad ist eine kulinarische Weltstadt. In «The Alpina» gibt es Fine Dining (Sommet), japanisch (Megu) und die schönste Terrasse im Saanenland. Im Grand Bellevue mag ich die italienische Küche von Francesco De Bartolomeis. Im Bernerhof gibt’s einen hervorragenden Chinesen («Blun-Chi»). Sieben Kilometer ausserhalb gibt es in Feutersoey das «Rössli», ein über hundert Jahre alter blumengeschmückter, sympathischer Landgasthof. Das «Bahnhofbuffet» im nahen Rougemont VD ist eine kleine Sensation. Benoît Carcenat kocht im «Valrose» für 18 Punkte.

Tipp 3: Ascona
Die drei Fünfsterne Hotels Castello del Sole, Eden Roc und Giardino liefern sich eine vergnügliche Battle um die beste Küche im Ort. Geheimtipp: die kleine «La Casetta» im «Eden Roc», Pesce & Pasta über dem Lago Maggiore. Für zwei ganz besondere Adressen steige ich gerne ins Auto: «Da Enzo» ist ein Edelgrotto in Ponte Brolla. In der «Villa Orselina» in Orselina gefällt mir zweierlei: Der Risotto von Chef Riccardo Scamarcio und die unglaubliche Aussicht.

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