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Verkehr •
Ins Gefängnis wegen Verkehrsdelikten

«Ich halte mich rigoros an die Regeln – aus Angst vor dem Knast»

Weil er vier Jahre lang ohne Führerschein unterwegs war, musste Franco B. sechs Monate ins Gefängnis. Im Interview mit STREETLIFE spricht er darüber, wie ihm sein Bleifuss zum Verhängnis wurde – und wie sehr er und seine Familie darunter litten.

Unbedingte Haftstrafen wegen Verkehrsregelverletzungen sind in der Schweiz selten. Dennoch können sie vorkommen, wie der Fall von Franco B.* zeigt. Drei Jahre lang fuhr der Aargauer ohne Führerschein und wurde in dieser Zeit mehrfach erwischt. Die Folge: Im September 2017 musste er eine sechsmonatige Haft antreten. «Das war die schlimmste Zeit meines Lebens. Ich sass jeden Tag ohne Frau und Kinder in meiner Zelle. Das war schmerzhaft», sagt der 56-Jährige rückblickend.

Bleifuss führte zum Führerscheinentzug

Spulen wir zurück: Franco B. liebt es, schnell zu fahren. Regelmässig gerät der gebürtige Italiener wegen seines Bleifusses in Schwierigkeiten. «Es gab Monate, da habe ich allein wegen Geschwindigkeitsbussen bis zu 2000 Franken ausgegeben», gibt der Logistikassistent zu. 

Es kommt auch mehrfach zum Führerscheinentzug. Im Juni 2012 geschieht dann der Supergau: Weil er auf einer Tempo-50-Strecke mit 82 Km/h auf dem Tacho geblitzt wird, nehmen ihm die Behörden den Ausweis für ein ganzes Jahr ab. Zusätzlich: eine Geldstrafe von rund 3600 Franken.

Die Situation ist für Franco B. gemäss eigenen Angaben peinlich. «Ich habe mich dafür geschämt, dass ich den Ausweis abgeben musste. Darum erzählte ich niemandem etwas davon – weder meiner Familie noch meinen Freunden.»

Vier Jahre ohne Führerschein am Steuer

Zu diesem Zeitpunkt begeht Franco den entscheidenden Fehler. Statt sich mit seinem Entzug abzufinden, setzt er sich regelmässig ans Steuer seines Wagens – unerlaubt. Das geht nicht lange gut. 2013 wird er erneut geblitzt. Seine Schwarzfahrt führt zu einer Verlängerung seines Entzugs auf drei Jahre und einer Geldstrafe von rund 7200 Franken.

Unbeeindruckt davon setzt Franco seine Schwarzfahrten weiter fort, fährt sogar nach Italien in die Ferien. Aus Angst erwischt zu werden, fährt er meist überkorrekt durch die Gegend – bis er 2015 unvorsichtig wird. Mit seiner Tochter im Auto nimmt Franco B. einen Anruf während der Fahrt entgegen und telefoniert mit dem Handy am Ohr. Eine zivile Patrouille erwischt ihn und winkt ihn raus. Dort zeigt er den Beamten ein Duplikat seines Führerscheins – doch der Betrug fliegt auf.  Wieder kommt es zu einer Anzeige und einer saftigen Geldstrafe in Höhe von rund 13’400 Franken. Der Führerscheinentzug wird erneut verlängert. Dieses Mal auf fünf Jahre bis 2020.

Doch Franco B. hat seine Lektion immer noch nicht gelernt. Er fährt weiter. Im Folgejahr wird er nicht nur innert kürzester Zeit zweimal geblitzt, er kommt an der deutschen Grenze auch in eine Polizeikontrolle und fliegt erneut auf. Der Staatsanwaltschaft reichts. Sie fordert vor einem Aargauer Gericht eine einjährige Haftstrafe – sechs Monate davon unbedingt. Diese Strafe wird Ende 2016 zum Urteil anerkannt.

Verkehrspsychologisches Gutachten und Fahrpraxistest nach Sperre

Am 19. März 2018 wird Franco B. nach sechs Monaten Haft wieder freigelassen. Doch dem Steuer muss er zu diesem Zeitpunkt weiterhin fernbleiben. Laut Entscheid des Strassenverkehrsamt Aargau bleibt er bis Juni 2021 fürs Autofahren gesperrt.

Doch auch nach Ablauf dieser Frist muss der Aargauer einige Hürden meistern, bevor er sich wieder ans Steuer setzen darf. «Ich musste zuerst ein verkehrspsychologisches Gutachten vorlegen, bevor ich den Antrag überhaupt stellen durfte. Danach musste ich Fahrstunden nehmen, um an die Praxisprüfung zugelassen zu werden. An der Prüfung wurde getestet, wie ich parkiere, einspure oder mich in 30er-Zonen und auf der Autobahn verhalte.»

Die Auflagen für diese Praxisprüfung waren streng, denn: «Ich stand massiv unter Druck. Ich musste sie beim ersten Versuch bestehen, sonst hätte ich die komplette Führerscheinausbildung – Theorie und Praxis – nochmals neu machen müssen.» Am 2. November 2021 folgt der grosse Befreiungsschlag. Franco B. besteht die Praxisprüfung und hat seinen Führerschein zurück. «Das Gefühl, nach fast sechs Jahren wieder fahren zu dürfen, war unbeschreiblich», berichtet er mit einem Lächeln.

«Wenn der Ausweis weg ist, dann ist er weg»

Die Geschichte von Franco B. zeigt, wie schnell ein Verkehrsdelikt zu einer Gefängnisstrafe führen kann. «Es war sehr dumm von mir, mich aus Scham ohne Führerschein ans Steuer zu setzen. Wenn der Ausweis weg ist, dann ist er weg», sagt er heute reumütig. Er ergänzt: «Es bringt nichts, sich der Bürokratie und dem Gesetz zu widersetzen. Es ist nur teuer, anstrengend und erniedrigend. Ich habe damit mir und meine Familie geschadet.»

Seinen Bleifuss hat sich Franco B. abgewöhnt. Heute geniesst er seine zurückgewonnene Freiheit, allerdings mit Vorsicht. «Ich bin zu einem demütigen und respektvollen Autofahrer geworden. Ich halte mich heute rigoros an die Verkehrsregeln – aus Angst vor dem Knast.

*Name der Redaktion bekannt

Führerscheinentzug in der Schweiz

Warnungsentzug:

Ein Warnungsentzug hat das Ziel, den Fahrzeugführer zukünftig zu mehr Sorgfalt und Verantwortungsbewusstsein im Strassenverkehr zu ermahnen. Die Dauer des Entzugs ist hierbei von der Schwere der Zuwiderhandlung abhängig. Unterschieden wird hierbei laut Strassenverkehrsgesetz Art. 16 SVG nach:

  • Leichte Widerhandlung: Hierzu gehört etwa die Verletzung von Verkehrsregeln, wobei nur eine geringe Gefahr für die Sicherheit des Strassenverkehrs entsteht oder das Fahren unter Alkoholeinfluss bis 0,5 Promille.
     
  • Mittelschwere Widerhandlung: Verletzung der Verkehrsregeln, wobei eine Gefahr für die Sicherheit anderer entsteht oder durch das Fahren unter Alkoholeinfluss in Verbindung mit einer leichten Widerhandlung
     
  • Schwere Widerhandlung: Hier liegt eine grobe Verletzung der Verkehrsregeln vor, wodurch eine ernsthafte Gefahr für die Sicherheit anderer in Kauf genommen wird. Dies kann nach Verletzung oder gar Tötung eines Menschen mit Fahrerflucht zum Tragen kommen. Auch das Führen von Motorfahrzeugen nach dem Führerausweisentzug gilt hier als besonders schwere Straftat.

Die Mindestentzugsdauer beträgt bei einem erstmaligen mittelschweren Vergehen mindestens einen Monat. Bei schweren Widerhandlungen mindestens drei Monate. Bei Wiederholungstätern wird die Entzugsdauer auch mindestens sechs bis zwölf Monate deutlich erhöht.

Es gibt auch die Variante des «ewigen» Entzugs. Diese kommt dann zum Tragen, wenn eine lenkende Person innert kurzer Zeit viele Verkehrsregelverletzungen begeht oder aber, wenn die Fahreignung der fehlbaren lenkenden Person nicht mehr gegeben ist, wie etwa bei einer Demenzerkrankung.

Sicherheitsentzug:

Ein Sicherungsentzug der Fahrerlaubnis ist eine vorsorgliche Massnahme der Behörden (Polizei und Strassenverkehrsamt), um Verkehrsteilnehmende vor ungeeigneten Autolenkenden zu schützen. Laut der Gesetzesgrundlage kann, darf und muss der Führerausweis zudem bis zur Abklärung von Ausschlussgründen sofort vorsorglich entzogen werden, wenn der Verdacht auf Fahrunfähigkeit besteht. Dazu gehören.

  • Die körperliche oder geistige Leistungsfähigkeit der lenkenden Person ist nicht gewährleistet, um ein Motorfahrzeug zu lenken.
  • Die lenkende Person steht unter Alkohol-, Drogen- oder Medikamenteneinfluss.
  • Der Führerausweisinhaber scheint ein Wiederholungstäter zu sein und ist mehrfach im Strassenverkehr negativ aufgefallen.
  • Es wird eine charakterliche Nichteignung aufgrund des Kaskadensystems erkannt. Das bedeutet, dass eine fehlende Fahreignung infolge wiederholter Rückfälle vermutet wird

Quelle: verkehrsrecht24.ch, Strassenverkehrsamt Aargau, Bundesamt für Statistik BFS

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