Holt sich «Jagdhund» Verstappen seine Beute?

Serienweltmeister sind selten Sympathieträger. Wer seine Rivalen jahrelang in Grund und Boden fährt, besitzt nicht nur aussergewöhnliches fahrerisches Talent, sondern entwickelt im Laufe der Zeit eine bemerkenswerte Kompromisslosigkeit. Bestes Beispiel weltmeisterlicher Skrupellosigkeit war der achtfache Formel-1-Weltmeister Michael Schuhmacher, welcher sich bei Überholmanövern eher bei Tempo 300 von der Strecke katapultierte, als klein beizugeben. Für seine Aktionen im sportlichen Graubereich bekam der deutsche Serienweltmeister den Übernahmen «Schummelschumi».

Auch der überragende Formel-1-Weltmeister Max Verstappen fährt ausserirdisch schnell und steckt im direkten Zweikampf selten zurück. Dank Verstappen, welcher aktuell nicht im schnellsten Rennauto fährt, kommen die Formel-1-Fans unverhofft doch noch zu einem Herzschlagfinale. Erst in einem der beiden letzten Wüstenrennen in Katar oder Abu Dhabi entscheidet sich, ob der junge McLaren-Pilot Lando Norris seinen knappen Vorsprung über die Ziellinie retten kann.

Oscar Piastris Krise

Das Momentum der Formel-1-Saison 2025 lag bis im August nach dem Rennen von Zandvoort klar bei McLaren-Jungstar Oscar Piastri. Von den ersten 15 Rennen hatte er sieben gewonnen. Mit 34 Punkten Vorsprung schien er Teamkollege Lando Norris auf Distanz zu halten. Norris verzweifelte am nervenstarken Piastri und steckte in einer mentalen Zwischenkrise.

Oscar Piastris unaufgeregter aber brutal schneller Fahrstil ist ein visueller Genuss für Rennsportfans. Und kein Fahrer im gesamten Formel-1-Zirkus spricht während dem Rennen über den Boxenfunk mit seinem Renningenieur so ruhig und freundlich. Während Fahrer wie Verstappen oder Hamilton im Adrenalinrausch über den Boxenfunk schreien, motzen oder jubeln, klingt Piastri über Funk, als läge er am Strand auf einer Liege. Selbst nach einem Sieg werden bei ihm Emotionen nur in homöopathischen Dosen hörbar. Nichts kann den sauschnellen Oscar Piastri aus dem Konzept bringen – dachte man bis Zandvoort. Und dann kam seine Krise.

Max Verstappens Jagd

Plötzlich kippte das Momentum zu Lando Norris und Max Verstappen. Seit Zandvoort zeigt Piastri Nerven. Der «Jagdhund» Max Verstappen, wie ihn Team Red-Bull-Berater Dr. Helmut Marko nennt, nahm die Fährte auf und hetzte gnadenlos hinterher. Von den letzten sieben Rennen gewann Verstappen vier. Aber auch Norris gewann zwei Rennen.

Piastri ist nun seit sieben Rennen sieglos. Nach dem GP von Las Vegas, bei dem die beide Papaya-farbenen Rennautos von McLaren wegen 0,2 Millimeter zu stark verschlissenen Bodenplatten disqualifiziert wurden, ist Red-Bull-Pilot Verstappen bis auf 24 Punkte an Lando Norris herangerückt – punktegleich mit Oscar Piastri. Ein spannenderes Finale bei den beiden arabischen GPs ist kaum möglich. «Jagdhund» Verstappen verfolgt seine Beute nun in Sichtweite und will zum Fangbiss ansetzen. Trotzdem wird sich McLaren nach der Konstrukteurs-WM realistischerweise auch die Fahrer-WM sichern.

Lando Norris Rettung

Lando Norris wird Weltmeister. Trotz Verfolger. Einerseits ist sein McLaren insgesamt das beste Auto – der brillante Chefdesigner Peter Prodromou hat eine Wundermaschine entwickelt. Und andererseits kann Norris trotz teaminterner Rivalität auf die Schützenhilfe von Oscar Piastri zählen. McLarens genialer Teamchef Andrea Stella wird im äussersten Notfall eine strategische Stallorder erlassen und Piastri dazu verdonnern, den heranstürmenden Verstappen aufzuhalten. Die 24 Punkte Vorsprung sollten ausreichen, um mit Teamgeist und kühlem Kopf Lando Norris den WM-Titel zu sichern. McLaren würde sich besonders gerne in Abu Dhabi mit der Fahrer-WM krönen. In den VIP-Logen über den Boxen sitzen die Scheichs von Abu Dhabi, welche über die Investmentgruppe CYVN an McLaren Racing mitbeteiligt sind.