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Der Tesla Cybertruck ist zu gefährlich für die Schweiz
Der Cybertruck von Tesla polarisiert. Schweizer Fans warten ungeduldig darauf, wann der Elektro-Pick-up zu uns kommt. Doch wie realistisch ist das? STREETLIFE hat bei den Behörden nachgefragt.
Im Urlaub gibt es nicht nur neue Kulturen und Länder zu entdecken, sondern für Autofans auch neue Fahrzeuge. Denn in anderen Regionen der Welt fahren teilweise ganz andere Autos als in der Schweiz. Der Grund dafür sind andere gesetzliche Anforderungen an die Fahrzeuge – meist weniger strenge Abgas- und Sicherheitsvorschriften. Deshalb lässt sich ein Fahrzeug von ausserhalb Europas nicht so einfach in die Schweiz importieren.
Das spüren aktuell viele Schweizer Tesla-Fans, die scharf auf den neuen Cybertruck sind. Denn die gesetzlichen Anforderungen an Fahrzeuge sind zwischen den USA und der Schweiz nicht harmonisiert. Das heisst, die Schweiz akzeptiert eine US-Zulassung nicht. Der Sprecher des Bundesamtes für Strassen ASTRA, Lorenzo Quolantoni, erklärt gegenüber STREETLIFE: «In den USA besteht kein Typengenehmigungsprozess. Die Hersteller sind verpflichtet, ihre Produkte konform zu den Federal Motor Vehicle Safety Standards (FMVSS) in Verkehr zu bringen.» Die US-Behörden würden das aber nicht systematisch kontrollieren, sondern nachträglich Stichproben durchführen. «Für die Zulassung in der Schweiz können die erforderlichen Nachweise deshalb nicht mittels einer Typengenehmigung (siehe Box, d.R.) erbracht werden», erklärt Quolantoni. «Allenfalls sind für die Zulassung hierzulande zusätzliche Prüfungen durch eine vom ASTRA anerkannte Prüfstelle erforderlich.»
Die Typengenehmigung
Grundsätzlich müssen die Strassenverkehrsämter alle Neuwagen auf die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften prüfen, wie sie in der Verordnung 741.41 über die technischen Anforderungen an Strassenfahrzeuge (VTS) vom 19. Juni 1995 festgeschrieben sind. Bei über 250'000 verkauften Autos im letzten Jahr wären aber 685 Fahrzeuge pro Tag zu prüfen gewesen. Da dies fast unmöglich ist, gibt es die Typengenehmigung. Ein neues Fahrzeugmodell wie beispielsweise der Toyota Corolla wird vor der ersten Zulassung überprüft und danach stellen die Behörden die Typengenehmigung aus. Sie bestätigt, dass das Modell, wie es vom Hersteller produziert und ausgeliefert wird, den Vorschriften entspricht. Die Schweiz stellte 1946 die erste Typengenehmigung aus.
Die europäischen Staaten haben sich auf einheitliche Standards geeinigt, um die Fahrzeug-Produktion zu vereinfachen, was die Preise für die Konsumenten senkt. Die Schweizer Gesetzgebung orientiert sich seit Mitte der 1990er Jahren immer stärker an derjenigen der EU. Heute anerkennt die Schweiz aufgrund der bilateralen Verträge eine EU-Gesamtgenehmigung für ein Auto. Dieses kann ohne Anpassungen in der Schweiz verkauft werden und das Fahrzeug kann theoretisch in einem Tag zugelassen werden.
Wer sein Auto umbaut, muss Änderungen dem Strassenverkehrsamt melden. Das betrifft unter anderem Tuning, aber auch Camping-Einbauten oder Änderungen für Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen. Bevor das Fahrzeug nach dem Umbau wieder genutzt werden darf, ist eine erneute Prüfung erforderlich. Die Rahmenbedingungen sind in Artikel 34 VTS geregelt. Weiter hat die Vereinigung der Strassenverkehrsämter ASA dazu eine Übersicht herausgegeben.
Es gibt schon Anfragen
Zu diesen Prüfstellen gehört das Dynamic Test Center DTC in Vauffelin BE. Dessen Geschäftsführer Marcel Strub bestätigte auf Anfrage von STREETLIFE: «Wir haben schon verschiedene Anfragen zu einer möglichen Zulassung des Tesla Cybertruck erhalten.» Grosse Hoffnungen kann der DTC-Chef den Interessierten nicht machen. «Anhand der Fotos und öffentlichen Informationen kann ich mir nicht vorstellen, dass er die geltenden Auflagen im Fussgängerschutz erfüllen wird.» Das Design mit der Front sei zu gefährlich für Fussgänger. Ein weiteres Problem sei die steife Karosserie. «Es scheint keine Knautschzonen zu geben. Deshalb sind bei einem Unfall höhere Belastungen zu erwarten. Das ist bei einer Kollision für das andere Fahrzeug gefährlich, aber auch für die Insassen des Cybertrucks.» Diesen Schluss lassen auch von Tesla veröffentliche Videoaufnahmen eines Crashtests zu.
Ein weiteres Problem sieht Strub beim Sichtfeld. Es könne sein, dass die flache und grosse A-Säule nicht zulässige Verdeckungswinkel ergebe und somit das Sichtfeld der Person am Lenkrad zu sehr einschränke, was eine Zulassung ebenfalls verhindern könne. Neben diesen Sicherheitsbedenken gibt es noch administrative Probleme bei der Zulassung: Der futuristisch anmutende Elektro-Pick-up hat ein Leergewicht von knapp drei bis 3,1 Tonnen. Damit er in der Schweiz noch mit dem normalen Autoführerschein der Kategorie B gefahren werden kann, darf er also nur 400 bis 500 Kilogramm zuladen. Das gilt für Passagiere und Ladung auf der Ladefläche. Bei mehr Nutzlast braucht es schon den kleinen LKW-Ausweis C1 bis 7,5 Tonnen Gesamtgewicht.
Theoretisch können Interessierte den Cybertruck umbauen, damit er die Schweizer Gesetze erfüllt. Doch das kann aufwendig werden, weiss Strub. «Einige Händler lassen bei uns regelmässig US-Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren testen, um sie für die Schweiz zuzulassen. Mit manchen Modellen sind mehrfache Prüfungen erforderlich, bis sie die europäischen Anforderungen erfüllen.» Vor allem bei den Motorhauben und dem Kühlergrill seien für den Fussgängerschutz teilweise umfangreiche Anpassungen erforderlich. Beispielsweise muss die Haube nachgeben, um Kopfverletzungen zu vermeiden, aber gleichzeitig ein Durchschlagen auf die tragenden Elementen oder die Motorenteile mit sehr hoher Steifigkeit verhindern. Ob sich solch aufwendige Tests und Anpassungen dann für den Cybertruck lohnen, müssen Interessierte selbst für sich entscheiden.

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