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Verkehr •
Lastwagenfahrerin Jamie Lee Plangger

«Nennt mich nicht 'Meitschi'»

Jamie Lee Plangger sitzt seit sieben Jahren am Steuer von LKWs. Dass sie Chauffeurin werden würde, war für sie zuerst keine Option. Heute gehört die junge Frau zu einer Minderheit in ihrem Job. STREETLIFE erzählt sie, weshalb sie den harten Beruf liebt.

«In meinem Job müssen sich Frauen beweisen, um ernst genommen zu werden», sagt Jamie Lee Plangger. Das heisst, sie müssen besonders viel arbeiten, damit sie respektiert werden. «Wenn mich jemand zum dritten Mal mit ‘Meitschi’ anspricht, dann nervt das. Nennt mich nicht so», regt sich die Chauffeurin offen auf. Unbegründete Skepsis oder plumpe Sprüche wie 'Frau am Steuer, Ungeheuer' gibt es heute noch. Doch beeindruckt ist Plangger deswegen nicht. Im Gegenteil: Die junge Frau ist seit sieben Jahren Lastwagenchauffeurin und: Sie empfiehlt den harten Job weiter – gerade auch an Frauen.

Dabei ist der Beruf nach wie vor eine Männerdomäne. Vizedirektor André Kirchhofer vom Schweizerischen Nutzfahrzeugverband ASTAG sagt aber gegenüber STREETLIFE: «Wir sehen seit einiger Zeit ein deutlich zunehmendes Interesse von Frauen an Berufsbildern im Strassentransportgewerbe.» Dennoch gehört Jamie Lee Plangger zu den nur 120 Frauen von insgesamt 1800 LKW-Fahrerenden der Firma Galliker – und damit zu einer klaren Minderheit.

Holpriger Start

Ihr Weg zur Berufsfahrerin indes begann wenig glücklich. Ursprünglich hat die 28-jährige aus Zürich das KV absolviert und danach als Service-Disponentin im Heizungsbereich gearbeitet. «Leider war das Arbeitsklima aus wirtschaftlichen Gründen eingeschränkt», erzählt sie über ihre Arbeit im Büro. Während eines WK habe sie sich deshalb auf andere Stellen beworben. Es sei eine Frage ihres Transportoffiziers gewesen, die schliesslich den Jobwechsel initiiert habe. «Er fragte mich, was mein Kindheitstraum sei», erinnert sich Plangger. Dann ging es schnell. Beim Transportunternehmen Galliker gelang ihr der Quereinstieg, und damit konnte sie ihren Traum in die Realität umsetzen: Sie wurde Chauffeurin.

«Die Fahrt über einen Bergpass ist etwas Wunderbares», erzählt die Fahrerin über ihren heutigen Berufsalltag. Zudem treffe sie jeden Tag viele Kundinnen und Kunden. Viele davon seien sehr aufgeschlossen gegenüber ihr als Frau in diesem Job. Auf einer Tour fährt Jamie Lee Plangger zwei bis 35 Adressen an – je nach Fahrdistanz. Je weiter die Strecken, desto weniger Kunden können an einem Tag bedient werden. Bei Touren mit vielen Stopps würden typischerweise Stammkunden beliefert, so die Lastwagenlenkerin.

Der erste Eindruck zählt

Jamie Lee Plangger ist nicht nur Fahrerin, sie bildet auch frische LKW-Lenkende aus. Als Praxisausbildnerin legt Plangger bei ihren Schülern viel Wert auf die Sozialkompetenz, die ihnen beim regelmässigen Kontakt mit der Kundschaft hilft. Zudem tauscht sie ihre Erfahrungen – gerade als Frau – mit Kollegen und Kolleginnen aus. «Als Frau geht es darum, mit Hilfe der Schwerkraft zu arbeiten. Dabei gibt es viele Tricks, die ich meinen Kolleginnen weitergeben kann», so die Lastwagenlenkerin.

Dass diese Tipps auch bei Männern gefragt sein dürften, wird schnell klar. Lastwagenfahrende klettern schon nur ins Führerhaus jedes Mal zwei Meter hoch; eine Palette wiegt beim Abladen rasch ein bis zwei Tonnen. Wenn sie auch nur leicht nach oben geschoben werden muss, braucht das viel Kraft.

Bis zu 15 Stunden unterwegs

«Man versucht jeden Tag, schnell zu sein», sagt die Chauffeurin, «doch der Verkehr ist anspruchsvoll.» Läuft alles reibungslos, ist der Lastwagen im Schnitt nach 10 Stunden wieder zurück im Logistikcenter in Altishofen LU. Gerät die Lenkerin in Stau, dann zieht sich ein Arbeitstag auch mal über 15 Stunden hin. «Es ist ein harter Job, aber eben auch eine Leidenschaft. Zudem sind die Arbeitskollegen und Kolleginnen sowie der Kundenkontakt ein grosser Ansporn», so Plangger.

Angst im Job habe sie noch nie gehabt – ausser einmal. Vandalen hätten die Muttern an einem Rad des Lastwagens gelockert. Sie sei damals einen handgeschalteten LKW gefahren und habe, als sie leise Vibrationen hörte, gedacht, das sei ein Problem mit der Ringkupplung. In der Werkstatt dann der Schock: Die Radmuttern waren lose, und das Rad hätte sich ablösen können. «Ich war an dem Tag über den Brünigpass gefahren. Hätte sich das Rad gelöst, wären der Lastwagen und mit ihm wohl noch andere Fahrzeuge den Hang hinuntergestürzt.»

Foderung nach mehr Toleranz

Für die Berufsfahrerin gibt es im Verkehr eine wichtige Regel: Toleranz. Alle Verkehrsteilnehmenden sollten aufeinander Rücksicht nehmen, findet Plangger. Wenn das nicht passiere, könne es stressig werden. «Das Gefährlichste für Lastwagen sind Velofahrer», sagt die Fahrerin. Es sei nicht möglich, den gesamten Lastwagen immer komplett im Blickfeld zu haben; viele Radfahrer würden das nicht verstehen und einfach rechts am Lastwagen vorbeifahren. «Wenn ihnen etwas passiert, bin ich schuld – und das Billett ist auch weg», bemerkt Plangger. Ein anderes Beispiel: PWs lassen Lastwagen oft nicht einspuren. Das sei unnötig, denn Lastwagen seien nicht langsamer als PWs. Hier könne man einem LKW ruhig auch mal zuwinken und ihm den Vortritt lassen, so Jamie Lee Plangger über den Alltag auf Schweizer Strassen.

Der Beruf Chauffeur und Chauffeurin biete Freiheit – und die Gelegenheit, sich mit Motoren und Maschinen zu befassen, sagt Jamie Lee Plangger. Beides sind wichtige Teile ihres Lebens. Gemeinsam mit ihren Eltern hat Plangger einen Lastwagen zu einem Wohnmobil umgebaut. Damit besucht sie Lastwagentreffs und geht auf Reisen. Zuhause ist sie mit ihrem Partner in Dagmarsellen LU, gleich neben dem Logistikcenter – so wie es sich für eine LKW-Fahrerin aus Passion gehört.

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