Zum Hauptinhalt springen

Werbung

Verkehr •
Elektro-Roadster im Auto-Check

MG hängt Tesla ab

Dieses Elektroauto ist schnittig, rot, hat nur zwei Plätze und ein offenes Dach. Nein, es ist nicht der schon lange angekündigte Tesla Roadster, sondern der MG Cyberster. Die chinesische Marke mit englischen Wurzeln hat Tesla beim Elektro-Cabrio abgehängt. STREETLIFE ist den elektrischen Spassmacher schon gefahren.

Herz gegen Verstand ist ein immerwährendes Duell im Leben. Schokoladen-Eis oder Früchte zum Dessert? Das neuste Smartphone kaufen oder das alte Modell weiter nutzen? Fahre ich einen 400-PS-Zweiplätzer oder tut es auch ein 80-PS-Kleinwagen?

Die Autobranche hat es schon immer verstanden, beide Seiten zu bedienen: Die Kundschaft, die sich mit dem Herzen für einen flotten Flitzer entscheidet – und jene, die ihr Fortbewegungsmittel mit dem Kopf kauft. In den vergangenen Jahren hat sich das – befeuert durch die immer strengeren CO₂-Vorschriften – etwas geändert. Vernünftige Fahrzeuge sind deutlich in der Überzahl. Vor allem Elektroautos appellieren an den Verstand, indem sie einem ein gutes Gewissen machen.

MG emotionaler als Tesla

Die Emotionen bleiben bei den meisten E-Autos aber auf der Strecke. Doch niemand sagt, dass der Weg von A nach B nicht auch Spass machen darf. Das dachte sich 2021 auch die englisch-chinesische Seilschaft um die Traditionsmarke MG (siehe Box) und präsentierte an der Internationalen Automobil-Ausstellung in München die Studie für einen elektrischen Roadster: den Cyberster. Drei Jahre später ist die Serienversion ab diesem Herbst in der Schweiz erhältlich.

Damit hat MG den amerikanischen Elektro-Pionier Tesla kurzerhand überholt und stehen gelassen. Das allererste Modell von Tesla war auch ein Roadster. Das elektrische Cabrio wurde von 2008 bis 2012 gebaut. Danach wurde immer wieder über einen Nachfolger spekuliert, bis Tesla-Boss Elon Musk dies 2017 offiziell bestätigte und ihn für 2020 versprach. Er ist heute noch nicht auf dem Markt. Die ersten Modelle sollen nächstes Jahr ausgeliefert werden.

Dieser Chinese ist einzigartig

MG kann das nur recht sein. Ihr Cyberster ist damit aktuell einzigartig auf dem Markt. Keine andere Marke hat ein zweiplätziges Elektro-Cabrio im Angebot. Und was für ein Angebot! Der Cyberster sieht schnittig aus. Ähnlichkeiten mit dem Tesla Roadster, vor allem in der roten Lackierung, dürften kein Zufall sein. Für einen coolen Auftritt sorgen die elektrischen Flügeltüren. Auf Knopfdruck öffnen sich die Türen des Cyberster nicht klassische zur Seite, sondern fahren nach oben.

Im Innern hätte MG gerne noch etwas mehr von Tesla abschauen können. Das Cockpit wirkt sehr überladen mit drei Bildschirmen hinter dem Lenkrad und einem vierten Screen in der Mitte. Dadurch ist die Bedienung des Infotainments über drei Touchscreens verteilt. Und weil diese Screens etwas klein geraten sind, sind sie selbst mit filigranen Fingern etwas fummelig zu bedienen.

Sicherer Fahrspass garantiert

MG bietet sein Cabrio in zwei Versionen. Entweder gibt es 340 PS (250 kW) und Heckantrieb oder eine Allrad-Version mit 510 PS (375 kW). Diese stärkere Version können wir an einem regnerischen Tag von Zürich aus rund um den Albis testen. Das Stoffverdeck bleibt also geschlossen, und der Gasfuss hält sich zurück.

Wobei das nicht einmal nötig ist. Die nötige Zurückhaltung im Regen scheinen die Chinesen schon einprogrammiert zu haben. Im Trockenen stürmt der Cyberster beim Tritt auf das Gaspedal sofort los. Doch bei Nässe reagiert das Cabrio den Bruchteil einer Sekunde verzögert, bevor es – dafür ohne ein Scharen – losjagt. So oder so hat der Cyberster diesen einzigartigen Elektro-Punch beim Beschleunigen. Die 510 PS und 725 Nm in der Topversion drücken uns in den Sitz und würden den chinesischen Roadster in 3,2 Sekunden auf Tempo 100 katapultieren.
    
Design und Abstimmung versprechen eine sensationelle Strassenlage in den Kurven. Aber die nassen Strassen, der Verkehr und Forstarbeiten verhindern, dass wir das Kurventalent des Cyberster erfahren können. Das muss später ein ausführlicher Test zeigen. Gleiches gilt auch für die Reichweite, die laut MG 443 Kilometer beträgt. Der erste Eindruck der Fahrfähigkeiten ist jedenfalls gut und weckt Vorfreude auf mehr.

Das Herz hat jetzt auch ein Elektroauto zur Auswahl. Und im Gegensatz zum Tesla Roadster oder einem Ferrari bleibt der MG Cyberster kein unerschwinglicher Traum. Das Elektro-Cabrio kostet in der 340-PS-Heckantriebsversion ab 63'990 Franken, die stärkere Allrad-Variante 67'990 Franken. Da kann sogar der Verstand seine Zustimmung geben.

Gelungener Neustart

Mit dem Cyberster kehrt MG zu seinen Wurzeln zurück. Die Marke wurde 1923 unter dem Namen «Morris Garage» in Oxford, England gegründet. Die Marke machte sich mit kleinen und einfach ausgestatteten Roadstern einen Namen. Aber nach dem Zweiten Weltkrieg lief das Geschäft nicht mehr so gut. MG wurde zum Sportlabel für die Topversionen der Schwesternmarken Austin und Morris. Das konnte den Niedergang nicht aufhalten.

MG wurde Teil der British Motor Company (BMC), die später zur Rover Gruppe wurde. Beides erfolglose Versuche, die britische Auto-Industrie zu retten. 2005 musste Rover Konkurs anmelden.

Die Marken-Rechte an MG wurden nach China verkauft. Die Nanjing Automobile Group hatte den Zuschlag bekommen, wurde aber 2007 selbst von der Shanghai Automotive Industry Corporation (SAIC) übernommen, dem mit Abstand grössten Autobauer Chinas.

Unter chinesischer Führung baute MG mehrheitlich SUV. Zuerst war die Marke in Grossbritannien aktiv. Im Jahr 2021 expandierte die chinesische Marke auf das europäische Festland und startete diesen Sommer mit den Modellen 3, 4, ZS und Marvel R auch in der Schweiz.

Von Juni bis September hat MG bei uns 313 Fahrzeuge verkauft und dürfte in den nächsten Jahren deutlich zulegen. Neben dem Cyberster sind ab sofort auch der SUV HS sowie die nächste Generation des SUV ZS bei uns erhältlich. Sie bieten viel Auto für wenig Geld. Dabei setzt MG auf alle Antriebe: Elektro, reine Benziner sowie Voll-, Mild- und Plug-in-Hybride. Mit ihren Kampfpreisen dürfte MG vor allem Dacia und Skoda Kunden abjagen.

Werbung